syn












toys

t.o.y.s.

Konzept

Als Basis für unseren Lebensstil beziehen wir aus den Ländern des globalen Südens, im konkreten auch Afrika günstig unter ausbeuterischen Bedingungen gewonnene edle Rohstoffe (Kakao, Diamanten, Gold, Erdöl, Baumwolle, Erze für HiTech-Produkte, ...). Symptomatisch für die Industriestaaten der Ersten Welt sind im Gegenzug sowohl die einseitige Entsorgung von Sondermüll in Ländern der Dritten Welt, wie auch deren Überflutung mit Massenkonsumprodukten.

Müll & Kunst

Seit den 50er Jahren setzen KünstlerInnen die am Ende der Konsumkette unserer Warengesellschaft stehenden Produkte Müll und Abfall als ästhetische Instrumente in ihrer künstlerischen Arbeit ein.

Prominente Beispiele sind Robert Rauschenberg, Daniel Spoerri, Dieter Roth, John Chamberlain... Richtig populär wurde Junk Art als Kunstrichtung bisher nicht, aber die Auseinandersetzung mit Müll gewinnt in unserer Wegwerfgesellschaft zunehmend an Bedeutung. Abfallstoffe, Altmaterialien, Verpackungen und Müll sind fester Bestandteil in allen Kulturen, und mit zunehmender Globalisierung verwischen sich die Unterschiede.

Hintergründe

Thema des Kunstprojekts ist schlichtweg MÜLL, im konkreten der Umgang von Menschen auf unterschiedlichen Teilen des Globus mit Müll, der globale Kreislauf des Mülls, die Dimension des europäischen Mülls in Afrika.

Die Transportwege von sowohl Ausgangsprodukten wie auch fertigen Konsumgütern erstrecken sich in der globalisierten Welt über lange Distanzen, viele Stationen, wandern durch viele Hände; manchmal beschreiben sie Zyklen, mitunter stellen sie sich eher eindimensional dar.
Am Ende eines Kreislaufs landen beispielsweise hochwertige Produkte aus den südlichen Kontinenten in Europa, werden um teures Geld mit hoher Gewinnspanne verkauft, treiben die Umsätze und die Börsenwerte an; in den Ländern Afrikas (wie auch in ähnlich situierten Ländern auf anderen Kontinenten) landet der Abfall:  Überschüsse aus agrarischer Produktion, Elektronikschrott und - oftmals aus zweiter Hand - (Marken)Sportschuhe, Kleidung und ähnliches mehr. Zudem bieten sich die Länder des globalen Südens als Absatzmarkt für Junkfood, Medikamente und Waren euro-amerikanischen Zuschnitts an. Entsprechendes Branding durch die Global Player inklusive. In diesem Kreislauf bleibt den ursprünglichen Herkunftsländern vorwiegend Müll und Verpackungsmaterial: Afrika - Versuchslabor und Selbstbedienungsladen für die erste Welt.

Im Gegensatz dazu wandern die erwirtschafteten finanziellen Ströme mehr oder minder eindeutig in die Hände weniger. Soziale Errungenschaften und Menschenrechte bleiben bis auf wenige Ausnahmen auf die Länder des Nordens beschränkt. Zunehmend kommen sie mittlerweile auch dort unter die Räder großer global agierender Firmen, deren Wirtschaftsleistung bereits die vieler Staaten übersteigt. Politische Akteure werden in der Folge Stiefelknechte für multinationale Konzerne und vertreten deren Interessen.

Vorhaben & Routenverlauf

Diese sozio-ökonomischen Prozesse werden von KünstlerInnen der Gruppe theSYNdicate in einem grenzüberschreitenden Projekt erforscht.

trash_at_homeZu diesem Zweck begeben sie sich Im Herbst 2009 in einem “Müllmobil” auf den Weg nach Lagos, Nigeria.
Vor der Abreise werden die BewohnerInnen von Graz medial aufgefordert, “Müll für Afrika” am Hauptplatz abzuliefern. Dort warten die KünstlerInnen mit ihrem Transporter und nehmen die Gaben entgegen, katalogisieren und dokumentieren. Müllmobil und AkteurInnen signalisieren durch einheitliches Styling ihre Absicht: farblich aufeinander abgestimmt, mit dem Logo der Aktion “gebranded” wird eine “Corporate Trash Identity” „designt“.

Im Europäischen Teil der insgesamt ca. 10.000 km langen Reise wird weiter Müll gesammelt: Sammelstationen in Italien, Frankreich und Spanien werden zur besseren Abbildung der europäischen Dimension von Müll vorbereitet. Und ganz im Stil multinationaler Unternehmen der zu erforschenden Wirtschaft gibt es im Vorfeld, unterwegs und übers Internet die Möglichkeit, sich durch den Kauf von Aktien am prospektiven  “Gewinn” der TransAktion zu beteiligen. Der Kauf von Aktien berechtigt zum Bezug von “Dividenden” in Form von datierten und signierten Müllproben aus Afrika. Die Anzahl der Aktien ist auf 100 limitiert.

Der Müll in Afrika wird ebenso wie der europäische gesammelt, katalogisiert und dokumentiert, diesmal jedoch in kleinen Einheiten in Plastik eingeschweisst und damit als Kunstobjekt definiert. An jedem Ort wird eine der Proben als „Aktiendividende“ nummeriert und für die „AktionärInnen“ beiseite gelegt. 

Parallel dazu wird versucht, einen Maßstab für den Wert unseres Abfalls zu definieren – und unseren Müll möglichst gewinnbringend zu entsorgen: der Müll aus Europa wird an den örtlichen Märkten „verkauft“. Die KünstlerInnen als MüllarbeiterInnen und künstlerische AkteurInnen im Trash Design treten feilschend in Interaktion mit der Bevölkerung. Nach Erhebung des Marktwertes in Form des ausgehandelten Geldbetrags werden die europäischen Müllproben gegen ein Foto und ein Statement der „KäuferIn“ eingetauscht.

Ziel der Reise ist eine Analyse von ländlichen sowie städtischen Produktkreisläufen. Dazu werden in Interviews und Gesprächen lokale und linguistische Definitionen von „Müll“ erfragt und durch Interviews mit den UmweltministerInnen der durchreisten westafrikanischen Länder ergänzt: Senegal, Mali, Burkina Faso, Ghana, Togo, Benin und Nigeria. Müll als Storyline und Methodik zum Erforschen globaler sozio-ökonomischer Realitäten.

Endstation der künstlerischen „Schatzsuche“ ist die Megacity Lagos in Nigeria, mit über 10.000.000 Einwohnern eine der größten Städte der Welt, afrikanischer Handelsknotenpunkt und Schnittstelle zu den westlichen Industriestaaten. Hier leben 2.000.000 Menschen auf einer Mülldeponie. Müllabfuhr existiert nur in den reichen Stadtteilen, und auch dort nur unzureichend. Die Müllaufkommen eines reichen und eines armen Stadtteils werden exemplarisch untersucht und gegenübergestellt. Interviews mit Müllentsorungungs- und Recyclingunternehmen sind geplant.

Der Verlauf der Reise kann über einen Weblog mitverfolgt werden. Die gefunden Schätze werden mit einem GPS-fähigen Fotoapparat dokumentiert und als Punkte der Reiseroute auf der Homepage eingestellt. Die Fotos mit ortsgenauen Angaben  schaffen örtliche Bezugspunkte und geben bereits vorab Information über den Herkunftsort der zu erwartenden “Dividende”. Den AktionärInnen wird damit die Möglichkeit gegeben, über das Internet mit ihrer nun lokal verorteten Aktie weiter zu handeln. In Zeiten der Finanzkrise bekommen die AktionärInnen somit zumindest einen gesicherten Anteil realen Mülls.

Präsentation

Zurück in Graz ist eine größere Aktionärsversammlung geplant, wo die Müllaktienpakete präsentiert werden. Müll wird sortiert in Form einer großen Skulptur – einem Glaskubus - im öffentlichen Raum präsentiert, begleitet von einer Ausstellung mit den auf der Reise entstandenen Fotografien und Videos.

In der Folge erscheint ein thematischer Katalog mit Fotoarbeiten, Analysen des Mülls im jeweiligen sozio-ökonomischen Kontext, theoretischen Texten zu Ökonomie, Ökologie, Müllkunst und den Kulturen entlang der Route.
Ausstellungen in Wien, Graz, Lagos und anderen Orten sind geplant.

© 2008 Fotos Michaela Grabner

t.o.y.s.
Visual Media Art - © 2007 - 2009 theSYNdicate / hosted by mur.at / designed by Klaus Schrefler